Geheimnisse?

Als ich vor über 25 Jahren die ersten Male zu einem Therapeuten gegangen bin, habe ich mich für so vieles unglaublich geschämt und wollte ihm am liebsten nichts davon erzählen. Daher weiß ich: Es kann schwer sein, einen Therapeuten in die Seele schauen zu lassen. Wir verheimlichen ihm oder ihr manchmal Gedanken, Ängste, Schwächen, Vorlieben oder Fantasien - manche beziehen sich sogar auf den Therapeuten.

Ich schäme mich so für...

Nach einer Weile habe ich jedoch verstanden, dass mein Therapeut für vieles Verständnis hatte und dass er mich vor allem nicht bewertete oder gar abwertete. Außerdem merkte ich, dass die Themen, die ich am liebsten verschwiegen hätte, gerade die wichtigsten waren. Als ich mich dann nach und nach durchrang, über die heiklen Dinge zu sprechen, merkte ich, dass ich schneller Fortschritte in der Therapie machte. Schließlich sind es oft unsere Tabu-Themen, die unsere Entwicklung blockieren.

Vertrauen zum Therapeuten

Ein wichtiges Ziel der Therapie ist es, ein vertrauensvolles Verhältnis zum Therapeuten zu entwicklen, damit wir uns ihm so zeigen können, wie wir wirklich sind. Das kann eine sehr befreiende Erfahrung sein. Und es kann dazu führen, dass wir uns auch unseren Mitmenschen "draußen" mehr öffnen.

Als Therapeut bewerte ich nicht, sondern versuche zu verstehen

Mir ist es wichtig, Ihnen mitzuteilen, dass ich nichts bewerte oder gar beurteile. Ich glaube, ich habe in all den Jahren im Therapiezimmer noch nichts gehört, was ich nicht verstanden oder wofür ich kein Mitgefühl empfunden hätte. Ich versuche immer mit dem Klienten oder der Klientin zu ergründen, was etwas zu bedeuten hat, welche Geschichte es hat und wie sich damit umgehen lässt. In meinen Augen ist Scham also überflüssig, auch wenn ich sie oft gut verstehen kann. Ich bin aber überzeugt, dass wir alle unsere Abgründe haben, in die wir andere nicht so gerne schauen lassen.

Heikle Themen sind ein Test für den Therapeuten

Mein Rat: Versuchen Sie, Geheimnisse in der Therapie anzusprechen! Warten sie nicht zu lange! Die gemeinsame Arbeit an einem schwierigen Thema ist außerdem ein guter Indikator dafür, ob Sie beim richtigen Therapeuten gelandet sind. Aber natürlich sollten sie es auch nicht überstürzen. Es braucht seine Zeit, bis Sie sich reif dafür fühlen, sich dem Therapeuten anzuvertrauen.

Therapeuten stehen unter Schweigepflicht

Natürlich steht der Therapeut unter Schweigepflicht. Er darf nie einem anderen etwas aus dem Therapiezimmer so erzählen, dass dieser Rückschlüsse ziehen kann, um wen es sich dabei handeln könnte. 

Mehr zum Thema Geheimnisse und zu vielen anderen Fragen, die Nutzer von Psychotherapie haben, finden Sie in meinem Buch „Mut zur Psychotherapie“.